Sein unglaubliches Leben - Die Autobiografie von Jack 11FREUNDE

Vllig unabhngig davon, was man persnlich von seiner Musik hlt, gilt: In einer Zeit, in der die Popmusik noch nicht so tribalisiert war wie heute, hat der Produzent und Komponist zahlloser Evergreens eine ganze ra geprgt und Verkaufszahlen erzielt, von denen heutige Stars nicht einmal zu trumen wagen. Wen die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte des massenkompatiblen

Völlig unab­hängig davon, was man per­sön­lich von seiner Musik hält, gilt: In einer Zeit, in der die Pop­musik noch nicht so tri­ba­li­siert war wie heute, hat der Pro­du­zent und Kom­po­nist zahl­loser Ever­greens eine ganze Ära geprägt und Ver­kaufs­zahlen erzielt, von denen heu­tige Stars nicht einmal zu träumen wagen. Wen die Ent­ste­hungs- und Wir­kungs­ge­schichte des mas­sen­kom­pa­ti­blen Pop der sieb­ziger und acht­ziger Jahre auch nur ansatz­weise inter­es­siert, für den ist dieses Buch unver­zicht­bare Pflicht­lek­türe. Aber auch für den eher fuß­ball­his­to­risch inter­es­sierten Leser hält es einiges bereit (dass Jack White unter seinem Geburts­namen Horst Nuß­baum vor dem Wechsel in die Musik­branche eine mehr als respek­table Lauf­bahn als Ver­trags­spieler bei Vik­toria Köln und dem FK Pir­ma­sens absol­viert und anschlie­ßend sogar als Voll­profi beim PSV Eind­hoven gespielt hat, sei hier einmal als all­ge­mein bekannt vor­aus­ge­setzt).

So wartet »Mein unglaub­li­ches Leben« etwa mit einer Anek­dote auf, die zu jenen will­kom­menen Mosa­ik­stein­chen zu zählen ist, aus denen sich ein Gegen­bild zur gän­gigen Geschichts­schrei­bung und ihren lieb­ge­won­nenen, immer wieder und fast überall repe­tierten Kli­schees formen lässt. Es geht dabei um keinen Gerin­geren als Sepp Her­berger: Jack White war mal wieder auf eine Gold­ader gestoßen und hatte zur anste­henden WM 1974 mit den aktu­ellen Spie­lern der Natio­nal­mann­schaft »Fuß­ball ist unser Leben« (»Text und Musik hatte ich inner­halb eines halben Tages zusammen…«) plus das dazu­ge­hö­rige Album auf­ge­nommen, das beste dieser vor­über­ge­hend zu jedem Welt­tur­nier pro­du­zierten Werke und das ein­zige, das Bestand haben sollte. Einen Titel nun, »Schwarz und Weiß«, der es nicht auf die LP geschafft hatte, wollte White unbe­dingt ander­weitig ver­werten. Der alte Sports­geist war erwacht und er pro­du­zierte ohnehin nicht gern ins Leere. Daher kam er zusammen mit Fritz Walter auf die Idee, dass ihn doch die Welt­meister von 1954 ein­spielen könnten.

Ein­la­dung von Willy Brandt ins Kanz­leramt

Die Alt­in­ter­na­tio­nalen waren von dieser Form der Wert­schät­zung hellauf begeis­tert und bis auf Toni Turek auch mit von der Partie. Unter Hin­zu­zie­hung wei­terer Legenden, deren Erfolge teils bis in die Tage der Breslau-Elf zurück­reichten, trat schließ­lich ein 33 Mann starker Chor vor die Mikro­fone. Jack White ließ sich nicht lumpen und zahlte jedem ein­zelnen der Betei­ligten 5000 DM Vor­schuss, ins­ge­samt also satte 165.000 Mark. Heute ist »Schwarz und Weiß« ein hüb­sches Samm­ler­stück, damals war die gut bezahlte Ses­sion in man­chem Fall auch ein Akt der Sozi­al­hilfe. Mehr als einer der alten Cracks konnte das Geld gut gebrau­chen.

Der Mega­er­folg von »Fuß­ball ist unser Leben« über­rollte das Neben­pro­dukt »Schwarz und Weiß«. Aus­nahms­weise konnte White mit dieser Single das inves­tierte Kapital nicht wieder rein­holen, sie war und blieb für ihn ein Pri­vat­ver­gnügen, das er sich nebenher gönnte. Was sich jedoch für die eins­tigen Fuß­ball­größen durch Jack Whites gute Kon­takte auf allen Ebenen der Gesell­schaft ergab, war eine Ein­la­dung Willy Brandt ins Bonner Kanz­leramt.

Wie es wei­ter­ging, dazu schreibt Jack White:

»…die gesamte Welt­meis­ter­truppe von 1954 mit­samt dem Trainer Sepp Her­berger und alle anderen Alt­in­ter­na­tio­nalen trafen sich ein­ver­nehm­lich in der dama­ligen Haupt­stadt, um sich auf den Emp­fang des Bun­des­kanz­lers Willy Brandt ein­zu­stimmen. Fritz Walter und Adi Preißler saßen mit ihren Fuß­ball­kol­legen ver­teilt in der Lobby eines Bonner Hotels, bis die fried­liche Stim­mung von Sepp Her­berger jäh unter­bro­chen wurde. Im Bei­sein von Fritz Walter sagte er zu mir in einer kleinen Ecke der Hotel-Lobby: ›Herr White, isch han do denne Adi Preißler g’sähe, der isch doch ver­wi­ckelt gwäse in den Bun­des­li­ga­schkandal, aber Herr White, den kann i doch net mit­nähme zum Bun­des­kan­schler!‹ Damit spielte er auf einen Skandal an, der in den 60er Jahren hoch­ge­kocht war (Horst Nuß­baum hatte in Pir­ma­sens unter Adi Preißler gespielt, Anm.), aber unab­hängig davon war wohl Adi Preißler nicht unbe­dingt der Lieb­lings­spieler von Sepp Her­berger. Ich musste nun den unan­ge­nehmen Part über­nehmen, Adi die Hiobs­bot­schaft zu über­mit­teln, dass er nicht mit­dürfe. Um dies so sanft wie nur mög­lich anzu­gehen, habe ich mich bereit erklärt, mit ihm im Hotel zu bleiben, und dem Emp­fang selbst auch nicht bei­zu­wohnen. Der Bus fuhr vor, alle stiegen ein, bis auf Adi und mich. Der Bus fuhr mit großem Getöse los, Adi stand auf, ent­schul­digte sich bei mir, er müsse mal zur Toi­lette und kam nicht mehr zurück. Ich werde diesen Moment mein Leben lang nicht ver­gessen, denn ich saß da wie ein ver­lo­renes Kind und bekam ihn nie mehr zu Gesicht, bis Dieter Thomas Heck Anfang der 90er Jahre in einer Sen­dung ›Das ist ihr Leben‹, die mich por­trä­tierte, als Über­ra­schungs­gast diesen Adi Preißler, inzwi­schen vom Schlag­an­fall gezeichnet, einlud. Ich war bei seinem Anblick trä­nen­über­strömt, so emo­tional ver­haftet war ich meinem ehe­ma­ligen Trainer.«  

Es gibt ja diverse recht befremd­lich anmu­tende Geschichten über Her­ber­gers Ver­halten in den Jahren, in denen er schon längst nicht mehr Bun­des­trainer war und offenbar große Pro­bleme hatte, zu rea­li­sieren, dass seine Zeit vorbei war. Aber diese Nummer muss man sich mal in aller Ruhe durch den Kopf gehen lassen. Her­berger, der seit einem Jahr­zehnt im Ruhe­stand war, aber »seine« alten Natio­nal­spieler, inzwi­schen sämt­lich selbst rei­fere Herren, noch immer wie selbst­ver­ständ­lich am Gän­gel­band führte wie eine Schar unreifer Kinder, und der nicht das Geringste mit der von Jack White mög­lich gemachten Platte zu tun hatte, maßte sich in selbst­herr­li­cher Manier an, dar­über zu ent­scheiden, wer mit zu Willy Brandt darf und wer nicht.

Wobei man den (sport-)juristischen Aspekt, dass zu diesem Zeit­punkt völlig unbe­wiesen war, ob Preißler selbst in irgend­welche Spiel­ma­ni­pu­la­tionen ver­wi­ckelt war, gar nicht her­an­ziehen muss, um, den Ein­druck zu gewinnen, dass Sepp Her­berger im Alter ein sich pene­trant überall in den Vor­der­grund spie­lender und dazu herrsch­süch­tiger Kno­chen sein konnte. Und natür­lich einer, der um vor­aus­ei­lende Erge­ben­heits­adressen an die Obrig­keit, hier in Gestalt des »Bun­des­kan­schlers«, nie ver­legen war.


Die Auto­bio­grafie »Mein unglaub­li­ches Leben« erscheint im riva Verlag und kostet 19,95 Euro. In der
aktu­ellen Aus­gabe 11FREUNDE erzählt Jack White aus­führ­lich von seinem Besuch auf dem Kanz­leramt.

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