Ich bin ein Zauberer! - Libanons Nationaltrainer Theo 11FREUNDE

Theo Bcker, 64, ist einer jener Handlungsreisenden in Sachen Fuball, die seit Jahren berall auf der Welt exotische Vereine und Mannschaften trainieren. Weil fr ihn, wie er sagt, Fuballer wichtiger ist als Wasser. Aktuell steht Bcker mit der libanesischen Nationalmannschaft in der 4. Qualifikationsrunde zur Weltmeisterschaft 2014in Brasilien. So gut war der Libanon noch nie.

Theo Bücker, 64, ist einer jener Hand­lungs­rei­senden in Sachen Fuß­ball, die seit Jahren überall auf der Welt exo­ti­sche Ver­eine und Mann­schaften trai­nieren. Weil für ihn, wie er sagt, Fuß­baller wich­tiger ist als Wasser“. Aktuell steht Bücker mit der liba­ne­si­schen Natio­nal­mann­schaft in der 4. Qua­li­fi­ka­ti­ons­runde zur Welt­meis­ter­schaft 2014 in Bra­si­lien. So gut war der Libanon noch nie. In einer Gruppe mit Süd­korea, Iran, Katar und Usbe­ki­stan ist seine Mann­schaft aller­dings krasser Außen­seiter, nach drei Spielen steht Bückers Aus­wahl mit einem Punkt auf dem letzten Platz.

Theo Bücker, nachdem Sie bereits 2001 die Natio­nal­mann­schaft des Libanon trai­nierten, sind Sie seit August 2011 erneut im Amt und sollen das Land nun erst­mals zu einer Welt­meis­ter­schaft führen. Wie sind Sie an den Job gekommen?

Vor neun Monaten zwang mich der Gene­ral­se­kretär des Ver­bandes mehr oder weniger dazu, die Natio­nal­mann­schaft zu über­nehmen. Er hat mich ange­rufen: Hör zu Theo, du bist unser Freund. Du weißt, dass du uns helfen musst. Du musst die Natio­nal­mann­schaft über­nehmen. Aber du weißt, wir können dir nichts bezahlen.“ Ich habe trotzdem zuge­sagt. Fuß­ball ist mein Leben. Fuß­ball ist für mich wich­tiger als Wasser und Brot.

Und Sie hatten Erfolg: Zum ersten Mal steht der Libanon in der letzten Qua­li­fi­ka­ti­ons­runde für die Welt­meis­ter­schaft. Den­noch halten sich die Gerüchte, dass Sie die Natio­nal­mann­schaft bald ver­lassen wollen.
Ja, das könnte pas­sieren. Aber als wir immer erfolg­rei­cher wurden, kamen die Männer aus dem Vor­stand und wollten sich als Väter des Erfolges feiern lassen. Alle Ver­ant­wort­li­chen sind seit über 25 Jahren dabei, aber keiner ist auch nur jemals zu einem Spiel gekommen! Und die ver­su­chen mir nur zu erklären, wie das Spiel funk­tio­niert. Der Erfolg der ver­gan­genen Monate ist aus­schließ­lich auf meinem und dem Mist der Spieler gewachsen. Wenn ich morgen hin­schmeiße, dann bricht hier alles zusammen wie ein Kar­ten­haus. Aber wenn sich nicht ent­schei­dende Dinge ändern, dann hat es für mich keinen Sinn mehr wei­ter­zu­ma­chen.

Was for­dern Sie von den liba­ne­si­schen Ver­bands­funk­tio­nären?
Die sollen nur die Klappe halten. Macht das, was ihr bisher auch gemacht habt: Sitzt da und sagt nix. Ich bin ja nicht gegen euch. Ich bin nur dagegen, dass ihr von den Toten auf­er­steht und mir das Spiel erklärt!

Wie hoch schätzen Sie die Chancen Ihrer Mann­schaft ein, sich für die WM zu qua­li­fi­zieren?
Alle anderen Ver­bände sind uns um Licht­jahre voraus. Wir sind der ein­zige Ver­band, der über­haupt kein Geld hat. Der keine Basis und keine Struktur in der Liga hat. Als Natio­nal­trainer kann ich ja eigent­lich nur Spieler nomi­nieren, die täg­lich in ihren Klubs gut trai­nieren und arbeiten, die im stän­digen Wett­be­werb stehen. Das gibt es im Libanon alles nicht. Ich bin ja ein Zau­berer. Das, was ich hier mache, geht eigent­lich gar nicht.

Zurück zur Frage…
Wir haben kein Recht, uns mit den Grup­pen­fa­vo­riten Süd­korea oder dem Iran zu ver­glei­chen. Die Welt­meis­ter­schaft 2014 darf eigent­lich nicht unser Ziel sein, nur unser Traum. Wunder pas­sieren, aber nicht jeden Tag. Das Wunder ist, dass wir jetzt hier sind. Die Ver­ant­wort­li­chen müssen das ver­stehen. Das wäre mehr Wert, als nach Bra­si­lien zu kommen. Wenn wir nach Bra­si­lien kommen sollten, müssen wir uns ja auch fragen, ob das gut für uns ist. Wir könnten ja auch demo­liert werden. Das heißt, ein ver­nünf­tiger Aufbau wäre für uns mehr wert als ein Schuss ins Fuß­ball­weltall, der uns aus­ein­ander reißen könnte.

Sie haben 1983 Ihre Spie­ler­kar­riere bei Schalke 04 beendet und sind 2001 das erste Mal Trainer im Libanon geworden. Warum aus­ge­rechnet der Libanon?
Ich bin durch den Unwillen des Lebens hierhin gespült worden. Schon 1997 wollte man mich als Natio­nal­trainer ver­pflichten, aber das Angebot über­zeugte mich nicht. Ich lebte damals schon viele Monate im Jahr im Nahen Osten, doch meine Frau bat mich dann, in Deutsch­land zu bleiben. Wir führten gemeinsam ein Geschäft. Nach dem plötz­li­chen Tod meiner Frau habe ich alles ver­kauft, einen Strich unter das Kapaitel Deutsch­land gezogen und habe das neue Angebot aus dem Libanon ange­nommen.

Wie waren die sport­li­chen Vor­aus­set­zungen, als Sie vor elf Jahren Ihre Arbeit begannen?
Ich stellte fest, dass der Libanon tat­säch­lich einige fuß­bal­le­ri­sche Gold­klumpen zu bieten hatte. Die mussten nur noch gefunden, sauber gemacht und poliert werden. Das war meine Auf­gabe. So wie bei Youssef Mohamad und Roda Antar, die ich beide nach Deutsch­land ver­mit­telt habe.

Zwi­schen 1969 und 1973 haben Sie 112 Spiele für Borussia Dort­mund absol­viert. Momentan ist der BVB unter Jürgen Klopp das Maß aller Dinge. Können Sie von Klopp noch was lernen?
Nein, nicht wirk­lich. Das, was Klopp tut, mache ich schon seit vielen Jahren. Es gibt keinen modernen Fuß­ball“. Modern ist immer nur das Ergebnis. Jeder Trainer hat die Auf­gabe, mit seiner Mann­schaft Spiele zu gewinnen, mehr Tore zu schießen, als der Gegner. Und das geht nur, wenn ich den Ball habe. Was wie­derum bedeutet: Als Trainer setze ich alles daran, dass meine Spieler so häufig wie mög­lich in Ball­be­sitz sind und den Ball­be­sitz nutzen, um Tore zu schießen. Und in dem Moment wo der Ball die Seite wech­selt, ver­lange ich von meinen Spie­lern, dass sie sich kör­per­lich und geistig voll darauf ein­stellen, den Ball wie­der­zu­be­kommen. Das ist alles, worum es im Fuß­ball geht. Jeder Trainer, der etwas auf sich hält, lässt seine Mann­schaften so spielen.

Gibt es Dinge, die Sie anders machen, als Ihre Kol­legen in Deutsch­land?
Wenn ich nach Deutsch­land komme, laufen die Spieler immer durch den Wald. Man lernt Fuß­ball nicht, wenn man durch den Wald läuft. Die meisten Trainer üben nur, trai­nieren aber nicht. Ich ver­suche, die Grund­ele­mente des Fuß­balls, Angreifen und Abwehr, so zu trai­nieren, dass es allen Spaß macht. Und ich will meinen Spie­lern ver­mit­teln, dass das Defen­siv­spiel keine Strafe ist, son­dern eine Beloh­nung. Nur wer den Ball bekommt, kann Tore schießen. So ein­fach ist das.

Was fehlt den Natio­nal­spie­lern im Libanon zur Welt­spitze?
Aus­dauer, basie­rend auf pro­fes­sio­nellem Trai­ning. Die Spieler hier wissen wenig von den Vor­teilen gesunder Ernäh­rung und aus­rei­chend Schlaf. Sie bekommen in ihren Klubs ein­fach nicht die nötige Aus­bil­dung und das nötige Wissen ver­mit­telt. Ich behaupte, dass es in der gesamten afri­ka­ni­schen und ara­bi­schen Welt keinen Fuß­baller gibt, der absolut fit ist!

Was ver­leitet Sie zu dieser Behaup­tung?
In der afri­ka­ni­schen und ara­bi­schen Welt ist es ganz normal, dass sich ein großer Teil des Lebens in der Nacht abspielt. Fuß­ball wird aber am Tag gespielt. Und ich bin ja nicht in der Lage, eine ganze Stadt oder einen ganzen Staat recht­zeitig ins Bett zu schi­cken. Wenn mir das mit meiner Mann­schaft gelingt, wäre das schon ein Erfolg.

Sie haben die feh­lende finan­zi­elle Unter­stüt­zung im liba­ne­si­schen Fuß­ball ange­spro­chen. Wie steht es kon­kret um die Finanzen Ihrer Spieler?
Ein Fuß­baller ver­dient hier im Verein durch­schnitt­lich um die 2000 US-Dollar pro Monat, inklu­sive Prä­mien. Für liba­ne­si­sche Ver­hält­nisse ist das zwar viel Geld, aber mit dem euro­päi­schen Fuß­ball natür­lich nicht zu ver­glei­chen. Außerdem werden die Spieler vom Ver­band häufig aus­ge­trickst. Eigent­lich bekommt ein Natio­nal­spieler für jedes Spiel seiner Natio­nal­mann­schaft einen Fest­be­trag von 500 Dollar plus Prä­mien, ob er nun gespielt hat oder nicht. Doch die Funk­tio­näre habe lange Zeit ein­fach nicht gezahlt und jetzt, wo man in der Qua­li­fi­ka­tion so weit wie noch nie gekommen ist, wei­gern sich die Ver­ant­wort­li­chen wei­terhin stand­haft dagegen, die Fuß­baller zu bezahlen. Dass das zu Strei­tig­keiten zwi­schen Spie­lern und Ver­band führt, ist doch klar.

Bis vor einigen Monaten gab es im liba­ne­si­schen Fuß­ball so gut wie keine natio­nale Fan­kultur. Auf­grund hef­tiger Aus­schrei­tungen und Riva­li­täten zwi­schen Ver­einen und den Fans waren Zuschauer sogar jah­re­lang gar nicht zu Spielen zuge­lassen. Der aktu­elle Erfolg der Natio­nal­mann­schaft scheint das nun zu ändern.
Lange Zeit war Bas­ket­ball der belieb­teste Sport im Libanon. Nun hat ihn der Fuß­ball mit weitem Abstand hinter sich gelassen. Über Jahre hingen hier nur Fla­genn von ita­lie­ni­schen, spa­ni­schen und deut­schen Klubs auf den Bal­konen. Das zeigte die tiefe Liebe des Liba­nesen zum Fuß­ball. Den Men­schen fehlte aber eine Heimat für ihre fuß­bal­le­ri­schen Zunei­gung. Das hat sich nun ver­än­dert.

Abschlie­ßende Frage: Der Libanon leidet seit Jahren unter den reli­giösen Span­nungen im Land. Glauben Sie, eine WM-Teil­nahme des Libanon könnte dazu bei­tragen, die Bevöl­ke­rungs­schichten mit­ein­ander zu ver­söhnen?
Davon bin ich sogar über­zeugt. Die Liebe zum Fuß­ball ist im Libanon größer als die Liebe zur Politik. Viel­leicht sogar größer als zur Reli­gion.

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